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Viele Dinge sind abzählbar. Wie wir schon gelernt haben, schließt Unendlichkeit die Abzählbarkeit nicht aus. Aber woran erkennt man, dass eine Menge von Elementen nicht abzählbar ist? Dazu macht man sich als Erstes klar, was Abzählbarkeit bedeutet: Die Natürlichen Zahlen sind anschaulich gesagt die Definition der Abzählbarkeit. Jede Menge, bei der sich jedem Elemente ein-eindeutig (also in beide Richtungen eindeutig) ein Element der Natürlichen Zahlen zuordnen lässt, ist abzählbar. Wie wir schon wissen, ist das beispielsweise bei den Rationalen Zahlen der Fall.

Nehmen wir an, eine solche Regel gäbe es für die Reellen Zahlen. Wir wählen nun ein Intervall der Reellen Zahlen von 0 bis 1. Diese Auswahl ist im Prinzip beliebig. Und wir schreiben nach dieser fiktiven Regel, nach der das gehen soll, jede Reelle Zahl im Intervall neben die ihr zugeordnete Natürliche Zahl:

1 => 0,12345…

2 => 0,22222…

3 => 0,37472…

4 => 0,72912…

5 => 0,26493

6 => …

… und so weiter. Das ergibt eine unendlich lange Liste. Aber Unendlichkeiten an sich stören uns ja nicht mehr. Um nun zu zeigen, dass das trotz der Unendlichkeit der Liste nicht alle sein können, wenden wir eine einfache Ersatzregel für einzelne Ziffern an. Wir ersetzen in jeder Zeile der Liste die Ziffer mit der Nummer der Natürlichen Zahlen durch eine andere. Diese Ziffern sind oben fett markiert. Ob wir das nach einem Schema machen, oder beliebig, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, dass wir nicht die gleiche Ziffer benutzen.

Um der Nicht-Eindeutigkeit zwischen der Periode 9 und der nächstgrößeren Zahl aus dem Weg zu gehen, nimmt man dazu keine 0 und keine 9 als Ersatzziffer.

In der ersten Reellen Zahl wird also beispielsweise bei der ersten Nachkommastelle aus der 1 eine 2, bei der zweiten aus der 2 eine 1, bei der dritten aus der 4 eine 5 und so erhalten wir, wenn wir das wieder zusammensetzen eine Zahl, die wir hier x nennen:

x => 0,21521…

So unterscheidet sich die Zahl x immer sicher mit mindestens einer Stelle von jeder anderen Zahle die wir oben in unserer unendlichen Liste haben. Und das bedeutet umgekehrt, dass sie sicher in unserer unendlich langen Liste nicht enthalten ist. Die unendlich lange Liste ist also nicht vollständig. Da wir keine bestimmte Regel für die Liste vorgegeben haben, gilt dies für alle nur erdenklichen Regeln. Mit diesem einen Gegenbeispiel haben wir bewiesen, dass die Reellen Zahlen nicht abzählbar sind, also überabzählbar sind. Diesen Beweis nennt man Zweites Diagonalargument von Cantor.

Interessant ist dabei noch, dass wir diese Überabzählbarkeit an einem doch eher kleinen Intervall bewiesen haben. Tatsächlich ist es so, dass jedes Intervall mit einer Breite größer Null überabzählbar ist. Die intuitiv größere Unendlichkeit der Zahlen von minus unendlich bis plus unendlich spielt für die Überabzählbarkeit gar keine Rolle. Die Überabzählbarkeit liegt einfach gesagt eher in der „Feinheit“ der Reellen Zahlen begründet.

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