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Wie funktioniert die Ionosphäre? Wie schaut ihre Physik aus? Wie wirkt sie auf die Funkausbreitung und das Funkwetter? Nimmt man die Kármán-Linie als Bezug, so beginnt die Ionosphäre noch knapp innerhalb des Bereichs, in dem in der Atmosphäre noch klassisch geflogen werden kann, und erstreckt sich weit in den Bereich, der schon zum Weltraum gezählt wird. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass Begriffe immer in einem Kontext betrachtet werden müssen. Für die Fliegerei sind wir hier schon im Weltall; für die Geophysik noch klar im Bereich der Erde.

Die Ionosphäre ist ein Bereich in der oberen Atmosphäre, in dem verschiedene Bedingungen zusammenkommen. Zum einen ist da noch Atmosphäre, also gasförmige Moleküle. Im Wesentlichen sind das die gleichen wie hier unten, wo wir sie atmen und als Wind spüren können. Aber sie sind entsprechend der Barometrischen Höhenformel verdünnt. Diese besagt, dass der Luftdruck etwa alle 8 km halbiert wird. Das liegt am Wechselspiel zwischen der Gravitation der Erde und dem Druck, den die Gasteilchen erzeugen. Die Gravitation zieht die Teilchen wie alles andere auch nach unten und der Druck sorgt dafür, dass sie der Anziehungskraft sozusagen nach oben ausweichen. Das Resultat ist eine Schichtung der Atmosphäre mit einem exponentiell fallenden Dichteverlauf.

Die andere Komponente ist die elektromagnetische Strahlung von der Sonne. Diese durchdringt die Atmosphäre, wobei bestimmte Anteile des Spektrums mit den Gasmolekülen wechselwirken. Der offensichtlichste Effekt ist die Blaufärbung des Himmels. Das sichtbare Licht interagiert mit der Atmosphäre. Die blauen Anteile werden dabei wieder abgestrahlt, sodass der Himmel blau erscheint. Die anderen Farbanteile werden abgelenkt und wir sehen sie nur bei tief stehender Sonne als Morgen- und Abendrot. Ein anderer Effekt ist die UV-Strahlung, die die Moleküle nicht nur anregt, sondern ionisiert; also Moleküle auftrennt und Elektronen abtrennt. Bei höherer Dichte würden diese recht schnell wieder zu neutralen Molekülen rekombinieren. Bei der geringen Dichte dauert dies länger und besonders Sauerstoff ist da nicht sehr wählerisch. Für ein neutrales Sauerstoffmolekül müssten sich zwei Atome treffen. Die Häufigkeit der freien Atome ist aber noch niedriger als die der Moleküle, weil die freien Atome ja überhaupt erst aus der Strahlung entstanden sind. Sie rekombinieren bevorzugt erst mal zu O3, also Ozon. Ozon hat nun wieder die besondere Eigenschaft, dass es besonders gut UV-Strahlung absorbiert. Wir haben gegen die UV-Strahlung also einen Strahlungsschild, dessen Energiezufuhr genau die Strahlung ist, die er absorbiert. Das ist für uns hier unten sehr praktisch, denn so bekommt man nicht so schnell einen Sonnenbrand.

Für uns als Funker ist aber ein anderer Aspekt der Ionosphäre interessant. Die freien Ionen stellen eine Art elektrischen Leiter dar. Der eigentliche Aspekt der Stromleitung ist dabei eher uninteressant, aber elektrische Leiter sind Reflektoren für elektromagnetische Strahlung. Das nutzen wir beispielsweise beim Spiegel einer Parabolantenne aus. Das darf man sich aber nicht so vorstellen, als wäre die Ionosphäre ein Spiegel. Vielmehr werden die Funkwellen in einem sanften Bogen von unten in die dichter werdende Ionosphäre geleitet, bis sie so weit um die Kurve gegangen sind, dass sie wieder austreten und gerade zur Erdoberfläche zurückgehen. Das ist zumindest der einfachste Fall.

Es können verschiedene andere Dinge geschehen: Wenn die Wellen nicht lang genug in der Ionosphäre verbleiben, werden sie nicht weit genug abgelenkt, um zur Erde zurückzukommen und sie gehen dann weiter von der Erde weg in den Weltraum. Kurze Wellenlängen werden schwächer abgelenkt als lange. Daher gibt es immer eine maximal nutzbare Kritische Frequenz fcr für die Ionosphärenausbreitung. Die fcr gilt bei senkrecht nach oben gerichteter Strahlung. Die für eine Funkverbindung in der Praxis maximal nutzbare Frequenz MUF ergibt sich über den Einfallswinkel auf der Ionosphäre, also letztlich nach der Elevation der Abstrahlung.

Die Schichtung der Ionosphäre kann auch schwanken. Dann kann es passieren, dass die Welle nicht weiter abgelenkt wird und die Ionosphäre  sich wie ein Wellenleiter verhält. Entweder tritt die Welle dann an einer anderen Stelle wieder aus, oder sie bleibt in der Ionosphäre, bis die Dämpfung sie abgebaut hat. Besonders interessant ist die Änderung der Schichtung an der Tag-Nacht-Grenze. Die funktechnischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, werden Grey-Line-DX genannt.

IonosphäreTypisch ist auch, dass die Wechselwirkung zwischen Strahlung und Moleküldichte mehrere günstige Höhenlagen für die Bildung einer ionisierten Schicht ergibt. Die typischen Schichten werden von unten nach oben D, E und F genannt, wobei die F sich noch mal in F1 und F2 aufteilt. Wie oben schon gesagt, gibt es eine Rekombination, die die Schicht auch wieder abbaut. Das ist besonders dann relevant, wenn sie nicht durch die Sonnenstrahlung aufgebaut wird, also nachts. Diese Rekombination setzt aber auch wieder voraus, dass die Ionen sich finden. Die Rekombination findet also in den tieferen und dichteren Schichten schneller statt.

Für die kritische Frequenz sind vor allem die freien Elektronen verantwortlich. Diesen Zustand von ionisiertem Gas nennt man auch Plasma und die kritische Frequenz fcr ist die sogenannte Plasmafrequenz. In den quadratischen Zusammenhang zwischen der Dichte der freien Elektronen ne und der kritischen Frequenz geht die Elementarladung e, die Elektronenmasse me und die Dielektrizitätskonstante $\epsilon_0$ ein. Sie berechnet sich wie folgt:

$$  f_{cr}^2 / n_e  = { e^2  \over  4 \pi^2 \ \epsilon_0 \ m_e } \approx 81 $$

Für uns in der Praxis bedeutet das: Die kritische Frequenz und damit auch die MUF steigt nur mit der Wurzel der Ionisierung:

$$ f_{cr} \thicksim \sqrt{n_e} $$

Da auch die Rekombination mit der Ionisierung ansteigt, sind sehr hohe kritische Frequenzen entsprechend seltene Ereignisse.

Die Ionisierung hängt auch vom Winkel ab, in dem die Sonnenstrahlung die Atmosphäre trifft. Der Zustand der Ionosphäre hängt daher auch von den Jahreszeiten ab. Der Winkel selbst ist dabei nicht das eigentliche Problem. Aber die Energiedichte ist pro Fläche senkrecht zur Strahlungsrichtung konstant. Bei schrägem Einfall verteilt sich die Energie auf eine größere Fläche und hat so weniger Wirkung. Das ist der gleiche Effekt, warum es im Sommer bei hochstehender Sonne auf der Erdoberfläche wärmer wird als bei flach einfallender Strahlung im Winter.

Was oben über die ganze Ionosphäre gesagt wurde, passiert auch schon in jeder einzelnen Schicht. Eine Welle, die von der D-Schicht nicht reflektiert wird, wird dennoch von ihr abgelenkt und gedämpft. Diesen Umstand kann man sich merken, wenn man die D-Schicht nicht ganz ernst gemeint als Dämpfungs-Schicht bezeichnet. Das bedeutet umgekehrt, dass Funkbetrieb mit Reflexion an E und F nur mit Wellen möglich ist, die eben in D nicht reflektiert werden. Das ist praktischerweise bei der Kurzwelle der Fall, weil die MUF der D-Schicht sehr niedrig ist.

Grundsätzlich wird man eine Reflexion an einer hohen Schicht anstreben, weil eine größere Reflexionshöhe auch eine höhere Reichweite bedeutet. Da man sich das aber nicht immer aussuchen kann, wird man in der Praxis einfach nehmen, was man bekommt.

Die Ionosphäre wurde ursprünglich als Ganzes verstanden und man nannte sie vermutlich die Elektrische Schicht, was mit E-Schicht bezeichnet wurde. Die dabei untersuchte Schicht wird auch als Kennelly-Heaviside-Schicht bezeichnet. Als man später zwei weitere Schichten entdeckte, wurde die darunter liegende Schicht mit dem Buchstaben davor und die darüber liegende mit dem nachfolgenden Buchstaben bezeichnet.

Und weil die Strahlung sich beim Erzeugen der Ionen abbaut, haben wir auch hier den Effekt, dass höhere Schichten die Bildung der tieferen behindert. Das gilt aber nur, wenn die tiefe Schicht von der gleichen Strahlungsart aufgebaut wird. Gelegentlich wird unsere Sonne im Röntgenbereich aktiv. Röntgenstrahlung interagiert kaum mit den dünnen oberen Höhenlagen. Sie braucht eine höhere Dichte und baut daher vor allem die D-Schicht auf. Die D-Schicht ist aber so niedrig, dass damit nur geringe Sprungdistanzen erreicht werden. Der Fernverkehr über Kurzwelle bricht also bei einer verstärkten Röntgenaktivität zusammen. Das wird Mögel-Dellinger-Effekt genannt. Die Mittelwelle kann sich dabei über eine seltene Ausbreitung über die Raumwelle tagsüber freuen, da diese unter der MUF der D-Schicht liegt.

Simulieren oder Messen?

Neben der Dichte der Gasmoleküle spielt auch eine Rolle, welche Moleküle das sind. In der Atmosphäre sind im Wesentlichen Stickstoff und Sauerstoff. Daher spielen die Ionisierungsenergien für die Bildung der Ionosphäre eine große Rolle. Möchte man die Bildung der Ionosphäre simulieren, betrachtet man also die Strahlung der Sonne als Photonenenergie und setzt diese in Relation zu den Ionisierungsenergien der Gasmoleküle. Aus der Bildungsrate der Ionen abzüglich der Rekombinationsrate ergibt sich eine Dichte und die dann wieder eine Dämpfung der Strahlung. Bei der Rekombination muss beachtet werden, dass auch Stickstoff mit Sauerstoff rekombinieren kann und dann Stickoxid entsteht. Man sieht, dass eine Simulationsrechnung schnell sehr kompliziert wird. Daher spielen Messungen bei der Beschreibung eine große Rolle. Diese Messungen werden beispielsweise in Juliusruh durchgeführt. Das Ergebnis der Messungen wird dann in einem Ionogramm dargestellt. Dieses ist dann ein Teil einer Funkwetterprognose.

Auf 50 Ohm gibt es weitere Erklärungen zum Thema.

Peder Oluf Pedersen schrieb 1927 in seinem Buch The Propagation of Radio Waves along the Surface of the Earth and in the Atmosphere grundlegende Dinge über das Thema.

Die Bundeswehr hat ein anschauliches Lehrvideo auf Youtube zum Thema.

TODO

  • Wird bei Mögel-Dellinger die Ionosphäre auch oberhalb der D-Schicht verstärkt aufgebaut? Es gibt widersprüchliche Aussagen dazu.
    • Funktechnisch natürlich irrelevant, wenn die interessanten Funkwellen da gar nicht hinkommen
  • Genauere Betrachtung der typischen Ionisierungen der verschiedenen chemischen Elemente und der Strahlungsanteile.
  • Genauere Betrachtung der Dämpfung in Relation zur Freiraumdämpfung.
  • Wenn die Wellen in der Ionosphäre abgelenkt werden: Wieso wird dann meist davon ausgegangen, dass im Regelfall Eintrittswinkel gleich Austrittswinkel gilt?
  • Wenn die kritische Frequenz die Plasmafrequenz ist: Wieso ist die MUF dann vom Eintrittswinkel abhängig?
    • Vermutlich, weil hier nicht der Volumeneffekt einer konstanten Ionisierung relevant ist, sondern der Gradient, also der Effekt der langsamen Zunahme der Ionisierung.
  • F1 ist eigentlich keine eigene Schicht, sondern eine Art “Treppenstufe” innerhalb der Ionenkonzentration der F-Schicht.
  • Sonderformen: Sporadic E, Aurora
  • Genauere Beschreibung des Dichteverlaufs, Änderung der Zusammensetzung der Luft

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