Beim Rechnen kommt es oft vor, dass wir eine Formel in einer Form haben, sie aber in einer anderen Form brauchen. Man sagt dann “Die Formel muss nach x aufgelöst werden”, wobei das x die Variable ist, die am Ende alleine auf der linken Seite der Formel stehen soll. In der Mathematik ist Links eine Konvention, die nicht zwingend eingehalten werden muss. Sie folgt unserer gewohnten Leserichtung von links nach rechts.
Beim Programmieren sprechen wir bei einer Zuweisung vom L-Value, also dem linken Wert. Der L-Value ist die Variable, der ein Wert zugewiesen wird. Diese Variable ähnelt beim Programmieren der Variable nach der wir hier auflösen wollen.
Wir verändern hier Formeln, die dabei ihre Aussage nicht ändern. Man sagt, die Formeln sind äquivalent. Und die Umformungen, die die Äquivalenz der Formeln erhalten, nennt man entsprechend äquivalente Umformungen. Um in der Formelschreibweise die Äquivalenz auszudrücken, schreiben wir $ \Longleftrightarrow $. Betrachten wir ein konkretes Beispiel:
$$ U = R I \ \ \Longleftrightarrow \ \ R = {U \over I }$$
Beachte den Unterschied zwischen der Gleichheit von linker und rechter Seite einer Formel und der Äquivalenz zwischen kompletten Formeln.
Um von der linken zur rechten Formel zu kommen, wenden wir äquivalente Umformungen an. Das sind Rechenoperationen, die die Kernaussage der Formel nicht verändern. Das erreicht man dadurch, dass man links und rechts vom Gleichheitszeichen das Gleiche macht. Das, was man macht, kann man rechts neben der Formel hinter einem senkrechten Strich schreiben.
Wie kommt man nun darauf, was man machen sollte? Dazu betrachtet man die Ausgangsformel so, als ob die Variable, nach der wir auflösen möchten, von “Zwiebelschichten” von mathematischen Operationen eingehüllt ist. Man arbeitet sich dann von außen nach innen über die Umkehrfunktionen an den “Kern” heran. Hier haben wir es sehr einfach: Das gewünschte R hat nur eine Operation: Die Multiplikation mit I. Die Umkehrung der Multiplikation ist die Division. Wir teilen also beide Seiten durch I.
$$ \begin{align}
U &= R I \ \ \ \ \bigg \vert /I \\
\Longleftrightarrow \ \ {U \over I } \ &= R {I \over I }
\end{align} $$
Multiplikationen und Divisionen sind kommutativ und assoziativ. Das bedeutet, es ist egal, in welcher Reihenfolge man rechnet und auch welche Operation man zuerst macht. Das nutzen wir hier aus, indem wir rechts die Division durch I gleich zu dem vorher schon vorhandenen I schreiben und das R gar nicht erst in den Bruch mit hineinschreiben. Dass Divisionen und Brüche eng verwandt sind, wird im Rechenkurs in Kapitel 6 genauer erklärt.
Was haben wir erreicht? Die Formel sieht komplizierter aus als vorher. Betrachten wir die einzelnen Terme getrennt. Wir sehen auf der rechten Seite ein I im Zähler und eins im Nenner. Das kann man kürzen. Dann steht da das gewünschte R alleine. Wenn zwei Ausdrücke gleich sind, dann gilt das in beiden Richtungen; genau das bedeutet gleich. Und dann kann man die Seiten vertauschen, sodass wie zuvor erwähnt wie üblich die gewünschte Variable auf der linken Seite steht und wir erhalten:
$$R = {U \over I}$$
Mit mehr Erfahrung wird man einfachere Umformungen “sehen” und nicht alles ausführlich aufschreiben. Wenn die Formeln zeilenweise untereinander stehen, wird auch gern das Äquivalenzzeichen weggelassen. Als Anfänger sollte man das nicht übertreiben, weil man dabei Rechenfehler leicht übersehen kann.
Betrachten wir noch ein etwas umfangreicheres Beispiel. Gegeben ist die Schwingkreisformel in einer etwas ungewohnten Form, die wir nach f auflösen wollen. Als Erstes muss man dazu wissen, dass die Frequenz f in der Kreisfrequenz $\omega$ steckt. Der Kern der Formel, den wir als Erstes freilegen müssen, ist also das $\omega$. Der erste Schritt ist also genau wie oben. Wir arbeiten uns von außen an das $\omega$ heran, in dem wir durch L und C teilen.
$$ \begin{align}
& \omega^2 L C && = 1 && \bigg \vert / LC \\ \Longleftrightarrow \ \ \
& \omega^2 && = {1 \over L C}
\end{align} $$
Nun gehen wir an das Quadrat am $\omega$. Die Umkehrung ist die Wurzel. Aus Divisionen kann man genau wie aus Multiplikationen die Wurzel getrennt ziehen und die Wurzel aus 1 ist 1:
$$ \begin{align}
\omega^2 &= {1 \over L C} && \bigg \vert \sqrt{…} \\ \\
\Longleftrightarrow \ \ \omega &= { \sqrt{1 \over LC}} \\ \\
\Longleftrightarrow \ \ \omega &= { \sqrt{1} \over \sqrt{LC} } \\ \\
\Longleftrightarrow \ \ \omega &= {1 \over \sqrt{LC}}
\end{align} $$
Als Nächstes lösen wir $\omega$ zu $2 \pi f $ auf. Und wieder haben wir eine Multiplikation, die wir mit einer Division umkehren. Hier überspringen wir den Teil mit dem Kürzen von $2 \pi \over 2 \pi$, denn wir sind jetzt ja schon erfahrene Umformer, die das gleich “sehen”. Diese Umformung wird umgangssprachlich auch “auf die andere Seite bringen” genannt. Ebenso lassen wir hier den Äquivalenzpfeil weg, was in Ordnung ist, wenn man die Formeln sauber untereinander schreibt:
$$ \begin{align}
2 \pi f &= {1 \over \sqrt{LC}} \ \ \ \ \bigg \vert / 2 \pi \\ \\
f &= {1 \over 2 \pi \sqrt{LC}} \
\end{align} $$
Jetzt erkennen wir unsere Schwingkreisformel wieder und können wie gewohnt damit rechnen.
Als Übungsaufgabe kann diese Formel nach C aufgelöst werden. Bei einer bekannten Frequenz f und einer festen Induktivität L kann dann so die benötigte Kapazität C berechnet werden.
Nenner wird Null
Besonders bei der Division als Umkehrung ist zu beachten, dass die davon betroffene Variable nicht null sein darf. Man sagt, die Null gehört dann nicht mehr zum Definitionsbereich dieser Variable. Diese Fälle sollte man dann gesondert betrachten. Beim Ohm’schen Gesetz kann man dazu sagen, dass es ohne Strom keinen Spannungsabfall gibt und das gilt für alle Widerstände. Ohne fließenden Strom kann man also keine Aussage darüber treffen, wie groß der Widerstand ist.
Bei der Schwingkreisformel kann man sagen, dass L und C beide nicht Null sein können, eben weil es dann gar kein Schwingkreis wäre. Man muss also zwei Fälle unterscheiden: Entweder ist die Null im Nenner physikalisch unsinnig, oder man muss die Null gesondert behandeln.
Ein fortgeschrittenes Beispiel, wie man die Null im Nenner gesondert behandelt, steht in Fourierreihen von Modulationen bei der Amplitudenmodulation.
Umformungen mit mehreren Lösungen
Nicht alle Umformungen sind selbst wieder Funktionen. Wenn man beispielsweise aus einem Quadrat die Wurzel zieht, so wird man oft einfachheitshalber die Wurzelfunktion mit einem positiven Wertebereich (“Ergebnis”) annehmen. Aber für eine vollständige Behandlung muss berücksichtigt werden, dass auch das negative Ergebnis der Wurzel beim Quadrat das gleiche Ergebnis liefert. Der Bequemlichkeit halber schreibt man das oft so:
$$x^2 = a \Longleftrightarrow x = \pm \sqrt{a}$$
Man muss sich dabei klar sein, dass diese Schreibweise eigentlich zwei Funktionen beschreibt. Die Umformung erzeugt also zwei Funktionen mit zwei Lösungen, die man üblicherweise durchnummeriert, hier also x1 und x2, die beide Lösungen der ursprünglichen Gleichung sind.
$$ x_1 = \sqrt{a} \ \ ; \ x_2 = -\sqrt{a}$$
In konkreten Zahlen bedeutet das mit a=4, dass sowohl $x=2$ als auch $x=-2$ Lösung der Gleichung ist.
Oben bei der Schwingkreisformel erhalten wir so also auch eine negative Frequenz. In diesem Fall kann man die negative Lösung ignorieren, denn negative Frequenzen verhalten sich grundsätzlich genau wie positive. Anders ist das beispielsweise bei der sogenannten Mitternachtsformel. Hier steht die Wurzel mitten in der Gleichung und so kommen für das x zwei verschiedene Werte heraus. Das wird im Artikel über die Parabolantenne behandelt.
Ein Beispiel mit Logarithmus
Möchte man den in dBi angegebenen Gewinn gi einer Antenne in den Gewinnfaktor Gi umrechnen, so wie man ihn zur Berechnung der isotropen Strahlungsleistung einer Antenne EIRP benötigt, muss man die Berechnung umkehren.
$$ g_i = 10 \log_{10}{G_i} $$
Arbeiten wir uns also wieder von außen nach innen an das gewünschte Gi heran:
$$ \begin{align}
g_i & = 10 \log_{10}{G_i} && \bigg \vert / 10 \\ \\
g_i / 10 & = \log_{10}{G_i} && \bigg \vert \text{10 hoch … und Seiten tauschen } \\ \\
G_i & = 10^{g_i/10}
\end{align} $$
So erhalten wir aus dem Gewinn in dBi gi den Gewinnfaktor Gi, den wir nutzen können, um aus unserer Senderleistung das EIRP zu berechnen. Mehr dazu steht im Artikel über die Feldstärke.