Mastodon Mastodon

Wie ermittelt man den „Frequenzbedarf“ einer Modulationsart? Dazu kann man sich die Fourierreihe ausrechnen. Damit die Reihenentwicklung funktioniert, müssen ein paar Randbedingungen bei der Beschreibung der Modulation passen. Die Beschreibung muss periodisch sein und die Integration muss über eine vollständige Periode durchgeführt werden. Damit das einfach funktioniert, betrachten wir für die NF einen reinen Sinus und die HF als ganzzahliges Vielfaches f der Frequenz der NF. Schauen wir uns zuerst ein Beispiel für AM (genauer DSB) an:

Amplitudenmodulation

Für die Reihenentwicklung brauchen wir als Erstes einen Term, der die Schwingung periodisch beschreibt. Das ist hier $\sin(fx) \sin(x)$. Damit beschreiben wir den einfachsten Fall, dass die NF mit dem Sinus beschrieben wird und die HF um den Faktor f höher ist. AM wird mathematisch durch das Produkt der beiden Terme beschrieben. Und dazu kommt der Fourierterm, den wir hier mit dem Kosinus von kx ansetzen. Der Faktor k wird später die Nummer der Fourier-Koeffizienten sein. Die Faktoren k und f nehmen wir hier als ganzzahlig an. Beim f ergibt sich das daraus, dass der vordere Teil periodisch sein muss. Beim k ergibt es sich aus der Definition der Fourierreihe.

$$  \int \sin(f x) \sin(x) \cos(k x) dx$$

Viele Funkamateure haben heute einen Raspberry Pi. Beim Standard-Betriebssystem Raspbian, einer Variante von Debian, ist das Algebra-System Mathematica der Firma Wolfram dabei. Sonst habe ich hier gern Wolfram Alpha benutzt, welches ebenfalls von Wolfram kommt und als Web-Service angeboten wird. Ähnlich wie wir bei Gnu Octave gesehen haben, wird der Ausdruck etwas komplizierter, weil er hier genauer definiert werden muss.

Integrate[Sin[f *x] Sin[x] Cos[k*x], x, 
Assumptions -> {Element[f, Integers], Element[k, Integers]}]

Vorn steht der zu integrierende Ausdruck, dahinter das x über das integriert wird. Assumptions sind wörtlich Annahmen, man könnte auch sagen „Zusicherungen“, dass die Variablen f und k Elemente der Ganzen Zahlen („Integers“) sind. Mit Shift-Enter erhalten wir das Ergebnis:

$$\frac{1}{4} \left(\frac{\sin (x (f-k-1))}{f-k-1}+\frac{\sin (x (f+k-1))}{f+k-1}-\frac{\sin (x (f-k+1))}{f-k+1}-\frac{\sin (x (f+k+1))}{f+k+1}\right)$$

Wir erhalten einen Ausdruck, der das x ausschließlich als Argument von Sinus-Funktionen enthält. Unter Berücksichtigung der Intervallgrenzen und der ganzzahligen Faktoren ist der komplette Ausdruck 0. Das kann also nicht die ganze Wahrheit sein.

Hier sollte klar sein, dass die Fourierreihe Terme enthalten muss, die ein x außerhalb von Sinus und Kosinus enthält. Da die beiden Funktionen bei 0 und $2 \pi$ gleich sind, fallen andere Terme bei der Bildung des bestimmten Integrals mit den Grenzen 0 und $2 \pi$ weg.

Aber im Nenner stehen Ausdrücke mit der Differenz von f und unseren Fourier-Koeffizienten k. Diese Ausdrücke können Null werden. Der Quotient ist dann unbestimmt.

Man sagt hier gern „Durch Null darf/kann man nicht teilen“. Das ist oft aber nur die halbe Wahrheit. Wenn man eine Formel untersucht, die im weiteren Verlauf einen Nenner von Null entwickeln kann, so kann man dieses Wissen gleich in die Formel hineinstecken und Mathematica findet dann auf einem anderen Weg doch eine Lösung. Aus der Schule sind vielleicht noch die hebbaren Definitionslücken bei rationalen Funktionen bekannt. Diese beschreiben ein vergleichbares Phänomen.

Schauen wir uns also noch mal das Integral von genau diesen Werten von $k=f‬-1$ an, von dem wir wissen, dass er einen Nenner von Null erzeugen würde. Hier erweitern wir die zu integrierende Variable x noch um die Integrationsgrenzen. Hier nehmen wir eine vollständige Periode der NF, also 0 und $2 \pi$. Und dazu fordern wir eine Vereinfachung („Simplify“) an, mit der Annahme, dass f wieder eine Ganze Zahl ist und zudem größer als 2, also mehr als doppelt so viel wie die NF sein muss.

$$  \int_0^{2 \pi} \sin(f x) \sin(x) \cos((f-1) x) dx$$

Simplify[Integrate[Sin[f*x] Sin[x] Cos[(f - 1)*x], {x, 0, 2*Pi}], 
Assumptions -> {Element[f, Integers], f > 2}]

$$ \frac{\pi }{2} $$

Wir erhalten einen konstanten Term für einen Fourier-Koeffizienten. Den anderen erhalten wir für $k=f+1$ zu $-\frac{\pi }{2}$, also dem gegenphasigen Signal. Machen wir uns nun klar, dass die Fourier-Koeffizienten $k= f \pm 1$ genau zwei Frequenzen links und rechts der HF sind und der Abstand mit der Periode der Entwicklung der Fourierreihe die NF ist. Und damit erhalten wir das für AM erwartete Ergebnis, dass die Modulation genau zwei Frequenzen bei HF+NF und HF-NF erzeugt. Die Bandbreite für AM ist also genau das Doppelte der höchsten Frequenz der NF. Aus den Additionstheoremen ergibt sich das natürlich auch ohne den Umweg über Integrale und Fourier. Aber es ist doch schön, dass zwei Rechenwege zum selben Ergebnis führen. 😃

Wir haben hier eine Menge Annahmen hineingesteckt. Beispielsweise setzt die Betrachtung nur eines Sinus für die NF voraus, dass hier das Superpositionsprinzip gilt. Das bedeutet, die in der Praxis vielfältigen Frequenzanteile der NF beeinflussen einander in der Modulation nicht. Und natürlich auch, dass die NF sich eindeutig in Sinuswellen zerlegen lässt. Die eindeutige Zerlegung der NF in sinusförmige Frequenzen folgt wieder direkt aus der Fourierzerlegung. Das Superpositionsprinzip ist eine Eigenschaft von linearen Verfahren. Anschaulich gesagt bedeutet es, dass sich die NF nicht selbst moduliert. Das werden wir hier nicht weiter vertiefen.

Frequenzmodulation

Aus den Prüfungsunterlagen ist vielleicht schon bekannt, dass die Amplituden der Frequenzen bei FM aus den Besselfunktionen ermittelt werden können. Tun wir als Erstes so als wüssten wir das nicht und versuchen die Amplituden so ähnlich wie bei AM aus der Fourierreihe zu ermitteln.

Schaut man sich eine übliche analoge, traditionelle Schaltung für FM an, so finden wir eine Kapazitätsdiode in einem LC-Schwingkreis. In Abhängigkeit vom Signalverlauf der NF wird also die Frequenz der HF verschoben. Ganz naiv könnte man annehmen, dass das auch genau der Frequenzbedarf wäre. Das würde aber heißen, dass die Fourierreihe aus genau einer Frequenz besteht, die sich über die Zeit hinweg ändert. Das entspricht aber nicht der Definition einer Fourierreihe. Wir erwarten hier konstante Pegel von konstanten Frequenzen. Zudem würde das bedeuten, dass der Hub genau der Bandbreite entspricht. Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Der gedankliche Fehler liegt hier darin, dass wir uns die Modulation als Momentaufnahme angesehen haben. Betrachten wir die Modulation aber wie oben bei AM im Zusammenhang einer kompletten Periode der NF, so erkennen wir, dass die NF die Steigung der HF ändert. Es ist nicht einfach eine Veränderung der Frequenz der HF, sondern der Sinus wird verzerrt und ist eben kein Sinus mehr. Das ergibt eine Menge an Frequenzanteilen.

Genau wie oben bei AM machen wir die gleichen Annahmen und Vereinfachungen und betrachten die HF als ganzzahliges Vielfaches der NF. Einfache Algebra-Programme wie das kostenlose Wolfram Alpha scheitern dennoch hier am Zeitbedarf der Analyse. Nur wenn man die Aufgabe weiter extrem vereinfacht, bekommt man eine Lösung. Hier fragen wir nach einer sehr niedrigen HF=3*NF und dem Fourier-Koeffizienten für HF+NF, also dem vierten:

$$ \int_0^{2 \pi} \sin(3 x + \sin(x))\sin(4 x) =  \pi (5520 J_3(1) – 936 J_2(1)) \approx 1.38246 $$

Die Formel wurde hier vereinfacht. Es wurde keine explizite Frequenz für die NF angegeben und die HF wurde als Verhältnis zur NF angegeben. Dadurch bleibt die Formel übersichtlich und einfach zu lesen. Der Nachteil ist, dass das Ergebnis schwieriger zu interpretieren ist. Der interessierte Leser sei ermuntert, hier seine eigenen Anpassungen vorzunehmen. Ich rate aber, erst weiterzulesen und mit der weiter unten beschriebenen numerischen Formel zu arbeiten.

Die beiden J sind genau die eingangs erwähnten Bessel-Funktionen erster Gattung und davon die dritte und die zweite. Die Lösung ist sehr kompliziert. Und es wird nicht einfacher dadurch, dass wir das ursprüngliche Problem vereinfacht haben. Denn nun müssten wir das für jede HF-Frequenz und jeden Fourier-Koeffizienten einzeln ausrechnen.

Aber wir wissen jetzt, dass mit den Bessel-Funktionen als Teil der Lösung die Fourierreihen eine sehr große Bandbreite belegen. Die spannende Aussage ist: Bei FM ist die Bandbreite nicht durch die Modulation begrenzt. Wir müssen das nachträglich mit Filtern erledigen. Und die Konsequenz daraus ist, dass der Informationsgehalt und die Möglichkeit zur Rekonstruierung des Signals, also seiner Demodulation, nicht von der vollständigen Übertragung aller Frequenzanteile abhängt. Denn sonst würde FM einfach nicht funktionieren.

Stecken wir nun doch unser Wissen über das erwartete Ergebnis hinein, so hätten wir hier als Ergebnis eigentlich $\pi \ J_1(1)$ als Ergebnis erwartet. Und wenn wir nach dem numerischen Wert fragen, kommt im Rahmen der Rechengenauigkeit auch das gleiche heraus. Das ist ein weiterer Hinweise darauf, dass wir selbst mit Mathematica hier an der Grenze sind was wir symbolisch ausrechnen lassen können.

Mathematica bietet uns eine andere Möglichkeit, die Ergebnisse zu erhalten. Da wir wissen, dass die analytische Lösung die Besselfunktionen erfordert und wir diese nicht geschlossen dargestellt bekommen, konzentrieren wir uns auf die Zahlenwerte, also die numerische Lösung. Die Fourier-Koeffizienten erhalten wir durch eine For-Schleife. Hier im Beispiel mit einem Frequenzverhältnis f von 10. Der Modulationsindex mi (in der Literatur oft mit dem kleinen griechischen Eta $\eta$ bezeichnet) setzen wir auf die erste Nullstelle der Nullten Besselfunktion J0. Diese gibt die Amplitude des Trägers an, der in diesem Fall Null ist.

Hinweis: Da wir hier die NF als „Referenzfrequenz“ nutzen und das Integrationsintervall damit die Periodendauer von 0 bis $2 \pi$ ist, ist der Vorfaktor vor der NF gleich der Modulationsindex.

Das NIntegrate bildet das Integral direkt in numerischer Form. Es ist erheblich schneller als die exakte symbolische Variante. Wir können so einfach und schnell verschiedene Werte ausprobieren. Die Nummern der Fourier-Koeffizienten k sind die Schleifenvariable. Die Ergebnisse sammeln wir im Array a ein.

f = 10
mi = 2.4048255576
For[k = 1, k <= 2*f, k++, 
  a[k] = 
    NIntegrate[
      Sin[f*2*Pi*x + mi*Sin[2*Pi*x]] Sin[2*Pi*k*x], {x, 0, 1}
    ]
]

Die Ergebnisse können wir uns mit TableForm ansehen.

TableForm[Array[a, 2*f], TableHeadings -> {Automatic, Automatic}]

Nun begrenzen wir die Bandbreite, indem wir die Anteile mit einer kleinen Amplitude auf Null setzen.

For [n = 1, n <= 2 f, n++, If[Abs[a[n]] < 0.01, a[n] = 0]]

Die Werte lassen sich mit ListPlot grafisch darstellen. In vielen Darstellungen wird darauf verzichtet, das Vorzeichen mit anzugeben. Da das Ergebnis aber symmetrisch zum Träger ist, könnte man sich fragen, warum es kein “FM-SSB” gibt. Die Antwort ist, dass die positiven und negativen Amplituden der verschiedenen Anteile bei einem komplizierter zusammengesetzten Signal nicht aus einem Seitenband rekonstruiert werden können. Nur bei einer einzelnen Sinus-Frequenz ergibt sich dieses einfache Bild.

ListPlot[Array[a, 2*f], Filling -> Axis, PlotRange -> All]

Fourierreihen von Modulationen

Wenn also die Fourierreihe verschiedene Amplituden hat, könnte man sich fragen, wieso FM mit einem Begrenzer-Verstärker auf der Empfängerseite funktioniert. Denn scheinbar steckt wichtige Information in der Amplitude. Der Punkt ist hier aber, dass die Fourier-Anteile in Summe eben doch eine konstante Amplitude haben und der Begrenzer auf der Zeitachse genau diese Summe aller Anteile „sieht“.

Schließlich vergleichen wir die resultierende Schwingung, in dem wir die Koeffizienten alle wieder aufsummieren. Dazu lassen wir uns die ursprüngliche Modulationsgleichung mit einem etwas reduzierten Pegel von 0,4 anzeigen, sodass wir die Kurven besser vergleichen können. Und außerdem gibt es noch zwei Hilfslinien bei Amplitude +/- 0,5.

Plot[{
  0.5, -0.5, 
  .4*Sin[f*2*Pi*x + mi*Sin[2*Pi*x]], 
  Sum[a[k]*Sin[k*2*Pi*x], {k, 1, 2 f}]},
 {x, 0, 1}]

Fourierreihen von Modulationen

Man sieht sehr schön, dass sich die ursprüngliche Modulationsfunktion praktisch nicht in den Nullstellen vom rekonstruierten Signal mit begrenzter Bandbreite unterscheidet. Nur die Pegel weichen etwas ab. Aber in diesen wird, wie wohl bekannt ist, bei FM keine Information übertragen.

In diesem Beispiel wurde der Modulationsindex mi mit der ersten Trägerauslöschung angesetzt. Dieser Wert wird meist einfach mit 2,4 angegeben. Da für die Besselfunktion keine Umkehrfunktion bekannt ist, kann die Nullstelle nicht exakt angegeben werden. Aber auch ein ungefährer Wert reicht, um aus der NF-Frequenz, die eine Nullstelle beim Träger erzeugt, den Modulationsindex abschätzen zu können.

Wie oben schon gesagt, wurde die Formel einfach mit dem Verhältnis zwischen HF und NF aufgestellt. Dadurch ist der Vorfaktor bei der NF gleich direkt der Modulationsindex. Überlegt man sich das für eine NF-Bandbreite und berücksichtigt, dass in der Praxis die Bandbreite nicht über abgezählte Fourierkoeffizienten, sondern über absolute Frequenzen begrenzt wird, ergeben sich weitere interessante Fragestellungen. Beispielsweise: Wie ist der Zusammenhang zwischen NF-Bandbreite und Modulationsindex und wie wirkt sich die Begrenzung der Bandbreite auf den Übertragungsfehler bei verschiedenen NF-Frequenzen, also den Klirrfaktor aus?

Mit Mathematica kann man sich bei Bedarf auch die Besselfunktionen anzeigen und ausrechnen lassen.

Plot[{BesselJ[0, x], BesselJ[1, x], BesselJ[2, x]}, {x, 0, 10}]

Fourierreihen von Modulationen

Lässt man sich noch höhere Besselfunktionen anzeigen, so sieht man, dass diese sehr flach beginnen, was für uns in der Praxis bedeutet, dass niedrige Modulationsindexe schmalbandig sind. Umgekehrt bedeutet die Übertragung bei hohen Modulationsindexen in mehreren Trägern eine höhere Redundanz des Signals, was die ohnehin schon hohe Störsicherheit der Modulation weiter erhöht. Das wird im FM-Rundfunk mit der Wide-FM-Modulation oder kurz WFM ausgenutzt.

Um die Nullstellen der Besselfunktionen zu finden, kann man NSolve benutzen. Hier im Beispiel die Nullstelle von J0 zwischen 2 und 3 auf 20 Stellen genau.

NSolve[{BesselJ[0, x] == 0, 2 < x < 3}, x, WorkingPrecision -> 20]

Weitere Erklärungen dazu:

Lizenzlehrgang beim DARC

FM beim Elektroniktutor

Arbeit über die Ermittlung genauer Zahlenwerte der Nullstellen der Besselfunktion von Dr. Werner Hofschuster

  • Auf Seite 119 stehen Werte mit hoher Präzision der Nullstellen.
  • Ab Seite 184 im Anhang D steht etwas über das Leben von Friedrich Wilhelm Bessel.

Artikel von Adolf Hurwitz vom 19. Jahrhundert über Besselfunktionen

Teilen